So eine Pandemie wirft ja ganz schön viele Fragen auf, von denen wir manche trotz intensiver und weltweiter Forschung selbst nach nun einem Dreivierteljahr noch nicht mal beantworten können. Für mich bleibt es beispielsweise ein ewiges Rätsel, warum wir bei inzwischen sehr viel höheren Infektionszahlen seit November nicht längst den selben harten oder theoretisch härteren Lockdown machen, den wir im letzten März bereits - wohlgemerkt erfolgreich - gemacht haben. Denn ich verstehe einfach nicht, wieso man etwas, das offensichtlich sehr gut als Lösung funktinoniert hat, beim selben Problem ein paar Monate später völlig anders bzw. gefühlt nur noch die Hälfte macht. Für mich wirkt das jedenfalls so, als hätten wir nach dem ersten Lockdown nicht nur nichts dazu gelernt, sondern hätten zusätzlich noch das Gelernte vergessen.
Damals war ich noch enorm erleichtert und froh über das konsequente Handeln unserer Regierung, von der ich das Gefühl hatte, menschlich und vernünftig zu sein, als die Bundeskanzlerin in einer Fernsehansprache an alle die Gesundheit ihres Volkes klar über Wirtschaftsinteressen stellte. Das ist heute leider nicht mehr so. Im Gegenteil.
Denn inzwischen ist der Wirtschaft scheinbar alles untergeordnet und wir haben Maßnahmen, die so tun, als wäre Corona ein Kapitalist, der nur nicht-arbeitende Menschen befällt und deshalb "nur" alles verbietet, was Spaß macht (dahinter stecken unspaßigerweise immerhin auch ernstzunehmende Bedürfnisse). Und man kommt sich dabei ein bisschen vor wie in einem endgültig dystopisch gewordenen System, in dem Kultur ausgerottet wurde und Menschen lediglich nützliche Zahnräder sind, dessen einziger Lebenserhaltungszweck die Schufterei ist. Das ist fast noch entmutigender als die Tatsache, dass es mittlerweile egal zu sein scheint, wenn wie heute wieder mehr als 1000 Menschen am Tag sterben.
Dabei waren es doch damals angeblich die 200 Toten am Tag in Italien, die uns mittels der berühmten Bilder von Leichentransportern aus Bergamo alle überzeugt haben, die Curve zu flatten. Und ganz abgesehen davon, dass das Wichtigste eigentlich immer sein sollte, so wenig Menschen wie möglich sterben zu lassen, haben wir doch sogar gelernt, dass es selbst wirtschaftlich besser ist, wenn wir mit einem harten Cut die Infektionszahlen so runterschrauben und sich so alle wohler fühlen (das haben schließlich sogar Wirtschaftsexperten durchgerechnet und geprädigt).
Im Pandemieplan von 2012 habe ich mal gelesen, dass das Allerwichtigste die Mitwirkung und Mitnahme der Bevölkerung und deshalb auch die Transparenz bzw. das Erklären der Maßnahmen sei, weil man sowieso nicht alles kontrollieren kann. Aber wie soll ich mich mitgenommen fühlen, wenn bspw. wie jetzt Fußballprofis, Großraumbüros, Autohersteller und sämtliche andere Unternehmen, die in einer Pandemie eigentlich völlig irrelevant sind quasi gar keine Einschränkungen haben, während ich seit fast einem Jahr alleine zuhause depressiv werde, weil ich gar nichts mehr machen darf. Klar, ich bin in der Risikogruppe und schränke mich wie viele sowieso schon aus Selbstschutz ein. Und der Großteil ist zum Glück auch vernünftig (danke ?). Aber unter den jetzigen Bedingungen verliert man mbMn sogar eher Leute, als dass man sie gewinnt. Denn sie sind weder (viro)logisch konsequent noch menschlich nachvollziehbar.
Und ja, mir ist bewusst, dass uns im März letzten Jahres auch der kommende Frühling in die Karten gespielt hat. Genau deshalb ist es für mich aber auch noch unlogischer, dass wir uns im November überhaupt so etwas wie einen "Lockdown Light" haben einfallen lassen und trotz eines mittlerweile mutierten Virus über den Winter weniger harte Maßnahmen eingeführt haben als zu Beginn der Pandemie, wo die Situation vergleichsweise harmlos war. Dementsprechend mies und bedrückend sehen dann jetzt eben aber auch die Zahlen aus.
Und es ist ja nicht so, als hätte die Wissenschaft nicht exakt das schon Monate vorher prophezeit. Sogar die letzte Warnung der Leopoldina, in der die Wissenschaft als Kollektiv eine europäische Lösung bzw. gleichzeitigen Shutdown dringend empfohlen hat, wurde nicht wirklich groß beachtet. Stattdessen haben wir uns das ganze letzte Jahr lieber von viel zu vielen und offensichtlich beratungsresistenten Ministerpräsidenten reinquatschen lassen, die sich eigentlich alle dafür entschuldigen müssten, dass sie so dumm waren.
Ob #ZeroCovid bzw. die dazugehörige Petition nun die ultimative Lösung für alles ist, weiß ich nicht. Mir erscheint ein Plan, der in einer Pandemie das Ziel hat, das Virus auszurotten und bspw. Neuseeland seit Monaten komplett coronafrei hat werden lassen aber durchaus sinnvoller als alles, was Friedrich Merz jemals von sich gegeben hat.